Die unfehlbare FIFA: Schuld sind immer die Anderen

Auf Brasiliens WM-Baustellen geht es nicht schnell genug voran. Viele der Stadien drohen nicht rechtzeitig fertig zu werden. Der ursprüngliche Übergabetermin im Dezember 2013 konnte bei fast allen WM 2014 Stadien nicht eingehalten werden. Doch wer ist Schuld daran? Nicht die FIFA, nein! Es sind die „unpünktlichen“ und „chaotischen“ Brasilianer, die für den schleppend verlaufenden Stadionbau verantwortlich sind. Da die WM-Gastgeber sich von solchen Tiraden nicht beirren lassen, muss nun eben jemand anderes dran glauben.

Jetzt deutet FIFA-Präsident Joseph Blatter mit dem Finger auf deutsche und französische Bauunternehmen, wirft ihnen Versagen und schlechte Organisation vor: „Die Arbeitsorganisation ist schlecht. Das hat nichts mit dem Fußball zu tun. Die großen Unternehmen, vor allem aus Deutschland und Frankreich, sind verantwortlich“, sagte Blatter gegenüber dem französischen Fernsehsender „BeIn Sports“.

War es bisher also die „jahrelange Untätigkeit der Brasilianer seit der Vergabe der WM 2014“ wird der schwarze Peter jetzt erstmals an die europäischen Bauunternehmer weiter gereicht. Konkrete Namen nannte Blatter nicht. Doch wissen wir, dass unter anderem die Ingenieure und Architekten von Schlaich Bergermann und Partner (sbp), Gerkan, Marg und Partner (gmp) sowie Schulitz und Partner bei den Bauten in Brasilien mitwirken.

Der Fisch stinkt vom Kopfe her

Blatter handelt nach der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“ und versucht wieder einmal von eigenen Fehlern abzulenken. Allein die Vergabe nach Brasilien war ein großer Fehler. Ein Land, das genug Probleme hat und in dem schon während des Confed Cups 2013 Tausende von Menschen auf die Straße gingen, um gegen die hohen Ausgaben für die WM zu demonstrieren, während das Geld für die wirklich wichtigen Dinge wie Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen fehlt.

Hinzu kommen die laxen Sicherheitsvorkehrungen auf den Baustellen. Wenn es nach Blatter gehen würde, läge der Death-Count wahrscheinlich schon um ein Vielfaches höher. Der hohe Zeitdruck, das Lohndumping und die laxen Sicherheitsvorkehrungen fordern ihren Tribut. Bisher sind während der Stadionbauten in Brasilien sieben Bauarbeiter ums Leben gekommen. In Katar, wo 2022 die „Winter-WM“ ausgetragen werden soll, liegt die Zahl der toten „Gastarbeiter“ (man könnte auch Sklaven sagen) bereits jetzt bei über 400!

Von Schmiergeldzahlungen und Korruption im Zusammenhang mit den WM-Vergaben und -aufträgen möchte ich gar nicht erst anfangen. Solange nach den Turnieren der Profit auf den Schweizer Konten der FIFA und ihrer Funktionäre stimmt, ist dem Verein offensichtlich alles recht. Dass die so gern betonten Werte wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung nur Worthülsen sind, die sich der Weltfußballverband nur allzu gern auf die Fahnen schreibt, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Denn von Nachhaltigkeit ist in Südafrika, wo die letzte WM stattfand nicht viel zu spüren. Ganz im Gegenteil wird hier noch heute darüber diskutiert, was man mit den riesigen nun leerstehenden Stadien tun soll, die jedes Jahr Millionenkosten verursachen, die in der Staatskasse für andere so wichtige Projekte in dem von Armut und Arbeitslosigkeit gebeutelten Land, dringend fehlen. Aber es musste ja unbedingt ein neues Stadion in Ozeannähe und mit Blick auf den Tafelberg sein. Anderenfalls hätte Kapstadt sich das Halbfinale abschminken können. Der ursprüngliche Plan, ein anderes bestehendes Stadion auszubauen, wurde von der FIFA abgelehnt. Wie war das noch mal mit der Nachhaltigkeit?! Achso, jetzt ja! Es geht um die Nachhaltigkeit auf dem Konto der FIFA und deren Sponsoren, nicht um jene in den Gastgeberländern! Wie konnte mir das nur entgehen.

In Brasilien, Russland und Katar wird es nicht anders sein. Auch hier benötigt niemand so große moderne Stadien, die am Ende nur zu Erhöhungen der Ticketpreise führen und die Fankultur kaputt machen. Schon jetzt können sich viele fußballverrückte Brasilianer nach dem Wegfall der günstigen Stehplätze die Eintrittskarten für die Stadien kaum mehr leisten. Sotschi, wo die Olympischen Winterspiele ausgetragen wurden, ist schon jetzt zur Geisterstadt verkommen. Und Katar?! Das Land ist gerade einmal halb so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt bisher drei Stadien in dem Land, die bis zur WM umgebaut werden. Zusätzlich müssen neun weitere Arenen erbaut werden, die nach dem Event niemals wieder genutzt werden. Da hilft es auch nichts, dass Stadien im Baukasten-Prinzip erbaut werden und später wieder abgetragen werden sollen. Nachhaltigkeit sieht anders aus!

Es wird Zeit, dass der 78-jährige Blatter endlich in Rente geht. Am besten, er nimmt all seine korrupten Gefolgsleute mit. Die FIFA müsste einer Generalreformierung unterzogen werden mit neuen Köpfen, neuen Regeln, neuen Werten und neuen transparenten Kontrollgremien – und sollte am besten gleichzeitig in eine Non-Profit Organisation umgewandelt werden.

Eigentlich müsste man die WM komplett boykottieren. Aber natürlich werden wir wieder jeden Tag vor dem Fernseher hocken und gebannt mitfiebern. Auch ich nehme mich da nicht aus. Da ich aber selbst merke, dass dieser Blog immer weniger mit den sportlichen Aspekten der WM als vielmehr mit den gesellschaftlichen Problemen rund um das Event und die Rolle der FIFA zu tun hat, wird das hier mein letzter Blog zu einer Fußball WM sein. Auf nationalelf.org werde ich künftig noch über DFB-Themen berichten. Einen reinen WM-Blog gibt es aber von mir nicht mehr. Eventuell plane ich einen FIFA-kritischen Blog aufzuziehen, falls das Interesse der Leser da sein sollte. Über Kommentare zum Thema würde ich mich freuen!

Bildquelle: AsianFC (CC BY 2.0)

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