Warum die Kritik an der WM 2014 Auslosung überzogen ist

Die Bild schreibt einen unreflektierten und reißerischen Artikel in Sachen WM Auslosung und alle fressen den Köder. Halleluja! Ihr glaubt gar nicht wie mich das annervt.

Die Bild titelt: „Merkwürdige Lostopf-Regel: FIFA bastelt sich Wunsch WM“. In dem Artikel regt sich der Schreiber über die wahrscheinliche Topfeinteilung auf.

In Topf 1 landen die Gruppenköpfe. Diese stehen bereits seit Mitte Oktober fest. Darin hat die FIFA Gastgeber Brasilien und die sieben stärksten Teams laut FIFA-Weltrangliste vom Oktober eingeteilt. Das sind Spanien, Deutschland, Argentinien, Kolumbien, Belgien, Uruguay und die Schweiz.

Darüber will sich die Bild aber noch nicht beschweren, obwohl genau hierin der eigentliche Grund für die mögliche Unausgewogenheit der Mannschaften liegt. Denn zur Berechnung des Rankings der Weltrangliste wird eine komplexe mathematische Formel herangezogen, die jedoch nicht unbedingt die Realität richtig abbildet. Mein Co-Blogger Marco hat sich dazu in seinem Blog schon mal ausführlich Gedanken gemacht, die ich an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholen werde.

Jürgen Klinsmann und Co. haben genau das kritisiert. Anstatt z.B. auch die Platzierung in früheren Turnieren mit einzubeziehen, wird sich einzig auf die FIFA Weltrangliste verlassen. Und so passiert es, dass starke Teams wie Vize-Weltmeister Holland oder VIze-Europameister Italien nicht in Topf 1 landen und somit kein Gruppenkopf sind. Die Konsequenz ist die Möglichkeit von sogenannten Todesgruppen, in denen z.B. Deutschland auf die Niederlande, die USA und die Elfenbeinküste trifft.

„FIFA bastelt sich ihre Wunsch-WM“

Die Bild stellt die These auf, dass sich die FIFA bei den Töpfen 2 bis 4 ihre Wunsch-WM basteln würde. Denn plötzlich gehe es nicht mehr um Zahlen, „sondern um merkwürdige geografische und sportliche Faktoren“.

Doch was meint sie damit? Die FIFA teilt die übrigen Lostöpfe in erster Linie nach geografischen Faktoren ein, sportliche Faktoren spielen nur eine untergeordnete Rolle. So landen etwa in einem Lostopf die Teams aus Nord- und Mittelamerika sowie Asien, in einem anderen Topf die Europäer und im letzten Topf die afrikanischen und verbleibenden südamerikanischen Nationen + Frankreich als schlechtestes Europa-Team.

Die Bild liefert sogar direkt die Antwort, warum das so gemacht wird: Weil aus den einzelnen Konföderationen „jeweils nur ein Team in jeder Gruppe vertreten sein“ darf. „Nur in Europa sind zwei pro Gruppe erlaubt.“

Doch was genau ist daran jetzt merkwürdig? Es ist doch nur nachvollziehbar, dass die Teams nicht nur möglichst ausgeglichen sein sollen, was die sportliche Leistungsfähigkeit betrifft, sondern auch, was die geografische Zusammensetzung betrifft. Schließlich spielen wir eine WELTmeisterschaft und keine Kontinentalmeisterschaft. Würde man die Töpfe abgesehen von Gastgeber Brasilien strikt nach sportlichen Faktoren, also der FIFA Weltrangliste von Oktober, einteilen, hätten wir folgende Töpfe:

Topf 1: Brasilien, Spanien, Deutschland, Argentinien, Kolumbien, Belgien, Uruguay, Schweiz
Topf 2: Niederlande, Italien, England, Chile, USA, Portugal, Griechenland, Bosnien-Herzegowina
Topf 3: Elfenbeinküste, Kroatien, Russland, Frankreich, Ecuador, Ghana, Mexiko, Costa Rica
Topf 4: Algerien, Nigeria, Honduras, Japan, Iran, Südkorea, Australien, Kamerun

Auch hier wäre also durchaus eine Todesgruppe mit Spanien, den Niederlanden, der Elfenbeinküste und Nigeria möglich. Auch könnte es zu Gruppen kommen, in denen fast nur Länder aus einer Konföderation aufeinandertreffen wie etwa: Brasilien, Chile, Ecuador und Honduras oder Spanien, Niederlande, Frankreich und Japan. Letztere wäre auch nicht wirklich eine leichte Gruppe.

Deutschland droht Horrorgruppe… und die leichteste WM-Gruppe aller Zeiten!

Ich halte die Kritik daher für überzogen. Man kann es nie allen recht machen. Am Ende entscheidet immer noch das Los und jeder hat die gleichen Chancen. Dann jedoch davon zu sprechen, dass sich die FIFA ihre „Wunsch-WM“ basteln würde, halte ich für maßlos überzogen. Wer Weltmeister werden will, muss nun auch mal gegen Mitfavoriten schon in der Vorrunde gewinnen. Das kann sogar Vorteile haben, dezimiert dies doch die Gefahr, in der K.o.-Runde gegen einen schweren Gegner herauszufliegen. In der Vorrunde hat man dagegen drei Chancen sich zu beweisen, wenn es in einem Spiel nicht klappen sollte.

Die Kritik an der Auslosung verpufft in dem Moment, wo das Alternativkonzept keinerlei fairere Gruppen ermöglicht. Wenn dann müsste man schon eine andere Einteilung vornehmen, die eben nicht nur die FIFA-Weltrangliste heranzieht. Aber einen besseren Vorschlag liefert die Bild nicht, das wäre dann ja auch konstruktiv und für die Zielgruppe des meinungsbildenden Blattes, die einfach nur die Kritik unreflektiert beim Stammtisch nachkaut, vermutlich zu hoch.

Denn seien wir mal ehrlich. Nur die wenigsten, die hier Kritik äußern, haben sich wirklich mit den Regeln der Auslosung beschäftigt. Die Bild bemängelt das Losverfahren und alle schlagen in die gleiche Kerbe ohne sich mal Gedanken zu machen, wie man es hätte besser machen können. Von konstruktiver Kritik keine Spur, einfach mal draufhauen ist ja auch viel einfacher. FIFA-Bashing macht ja auch wirklich Spaß.

Versteht mich nicht falsch, ich halte auch nicht viel von dem Verein, der WM in Katar und den ganzen Korruptionsaffären, aber man muss auch mal differenzieren und seine Kritik im Zaum halten, wenn man keine besseren Konzepte liefern kann. Zumal das Vorgehen bei der Topfeinteilung ja auch nichts Neues ist, sondern schon seit vielen vielen Jahren und Turnieren so angewendet wird. Bisher kam aber noch kein Bild-Redakteur mit einer besseren Idee um die Ecke. Anstattdessen wird alle vier Jahre die gleiche Schlagzeile rausgeholt: „Deutschland droht Hammer-/Horror-/Todesgruppe“. Natürlich! Genauso wie allen anderen teilnehmenden Ländern auch. Mal abgesehen davon, dass das nur ein möglicher Ausgang von vielen ist. Genauso wahrscheinlich ist es, dass wir in einer relativ einfachen Gruppe mit Australien, Russland und Kamerun landen.

Ich würde daher vorschlagen: Bleiben wir einfach mal ganz locker und freuen uns auf auf die WM Auslosung. Ich persönlich würde mich sogar auf einen Vorrundengegner wie die Niederlande oder Italien freuen. Dann könnten wir frühestens wieder im Finale auf sie treffen. Und wenn wir schon die Ambitionen haben, Weltmeister zu werden, müssen wir es mit jedem Gegner aufnehmen können, egal ob in der Vorrunde oder erst in der K.o.-Runde.

Bild: Joseph Blatter | Quelle: International Students’ Committee (CC BY-SA 3.0)

2 comments… add one
  • Es gibt doch immer Leute die etwas zu meckern haben. Die Fifa hat die Regeln ja nicht erst gestern festgelegt sondern viel früher. Von daher hatten doch Mannschaften wie Frankreich genug Zeit ihre Platzierung zu verbessern.

  • Maboga Link Reply

    Ich halte die Kritik auch für völlig überzogen. Allerdings muss ich u.a. Klinsi Recht geben. Eine Mischung aus Weltrangliste UND Heranziehen der Leistungen bei den vorherigen Turnieren hätte ich noch besser gefunden.
    Ansonsten teile ich die Meinung, dass die „regionalen“ Töpfe gut sind. Schließlich will man ja nicht immer die gleichen Spiele innerhalb eines Kontinentes sehen.
    Und was die befürchteten „Todesgruppen“ angeht. Das ist doch gerade gut. Davon lebt doch doch solch eine Auslosung. Andernfalls könnte man ja gleich die Gruppen festlegen. Und das will ja auch keiner wirklich.
    Und zuletzt meine ich, dass es ohnehin jeden mal trifft mit „Glücksgruppe“ oder „Todesgruppe“. Die Vorteile einer Todesgruppe wurden im Beitrag ja auch bereits dargelegt.
    Kurzum: Alles okay, wie es ist ! Und ich bin auch nun wirklich kein Fan von diesem komischen Verein, der sich FIFA nennt … !

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